New Work im Gesundheitswesen

Zwischen digitaler Flexibilität und gemeinsamer Heimat
New Work in der ambulanten Versorgung
Erstellt von:Dehne, Nils
Erstellt am:03.12.2022
Aktualisiert am:03.12.2022, 15:27

Haben Sie in Ihrem Umfeld auch Freunde, Bekannte oder Verwandte, die mittlerweile überwiegend im Homeoffice arbeiten? Beneiden Sie Menschen, die sich Ihre Tätigkeit im Tagesverlauf vollkommen flexibel einteilen können oder auch von überall auf der Welt ihrer Arbeit nachgehen können. Im Gesundheitswesen scheint das Thema New Work vielfach noch nicht angekommen zu sein. Die Verwaltungsmitarbeitenden in vielen Krankenhäusern verstecken sich noch immer in klassischen Einzelbüros. Die Ambulanzschalter sehen oftmals noch aus, wie ein Hochsicherheitstrakt einer Wechselstube. Selbst Sparkassen und Verwaltungsbehörden setzten inzwischen auf offene Raumkonzepte in attraktivem Ambiente auf Augenhöhe mit Gästen und Kunden. New Work hat allerdings nicht allein etwas mit einer hippen oder wohnzimmerartigen Einrichtung zu tun. Vielmehr ist es eine Frage der gegenseitigen Wertschätzung und einer auf die individuelle Situation der Mitarbeitenden ausgerichtete Arbeitsorganisation.

Während der Corona-Pandemie ist das Homeoffice zum Sinnbild für diese Bewegung geworden. Mitarbeitende können sich die eigene Arbeit in ihrem gewohnten Umfeld entsprechend ihres persönlichen Tagesablaufes frei einteilen. Mittlerweile ist aus dem Homeoffice vielfach ein mobiles Office irgendwo auf der Welt geworden. Gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen, die für sich erkannt haben, dass ihnen feste Tagesabläufe, eine gut strukturierte Büroorganisation und die soziale Interaktion mit ihren Kolleginnen und Kollegen wichtiger sind als die maximale Gestaltungsfreiheit und Flexibilität im mobilen Büro. Die damit verbundenen Herausforderungen für eine erfolgreiche Teamorganisation und Führungskultur füllen derzeit überall Seminare und Konferenzen.

An vielen Menschen in der Gesundheitsversorgung gehen diese Entwicklungen weitgehend vorbei. Während der Corona-Pandemie stand die Optimierung des Arbeitsschutzes und des Hygienemanagements auf Stationen in Krankenhäusern und Pflegeheimen oder in Praxen und Therapieeinrichtungen im Vordergrund. Für Konzepte mit Homeoffice oder digitaler Zusammenarbeit gab es leider selten Ressourcen und kreative Ideen. Einzig die typischen interdisziplinären Konferenzen, wie beispielsweise Tumorkonferenzen mit verschiedenen Ärztinnen und Ärzten werden mittlerweile ganz überwiegend digital realisiert.

Aber was wäre, wenn die Ärztinnen und Ärzte nach der Visite oder den notwendigen Interventionen – sei es im OP oder in anderen Funktionsbereichen – ins Homeoffice wechseln, um die Dokumentation und die üblichen Konferenzen von zu Hause zu realisieren. Warum sollte eine telefonische Erreichbarkeit oder die Terminvergabe einer Arztpraxis nicht auch von irgendwo auf der Welt per Telefon und Videokonferenz realisierbar sein. Wären Videokonsultationen in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung akzeptiert und etabliert, könnte in zahlreichen Fällen unnötiges Verkehrsaufkommen vermieden, Infektionsrisiken minimiert und auf Seiten der Behandelnden und der Betroffenen größere Flexibilität entsprechend ihrer persönlichen Lebenssituation ermöglicht werden.

Natürlich bringt diese Art der Gesundheitsversorgung neue Herausforderungen mit sich. Wenn die Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in gleichem Umfang im Krankenhaus vor Ort sind, müssten Pflegekräfte erweiterte fachliche Kompetenzen erhalten, um im dringenden Einzelfall unter fernmündlicher Anweisung von Ärztinnen und Ärzten handeln zu können. Eine unabhängige Telefonhotline und Terminvergabe für die Praxis setzt die Einhaltung verbindlicher Regelungen und klar definierte Abläufe und Informationswege voraus. Videokonsultationen sind nicht für jede Behandlungsform gleichermaßen geeignet. Aber auch hier könnten sich mit gut qualifizierten Assistenzberufen neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Voraussetzung für diese Art der Zusammenarbeit ist jedoch eine gut funktionierende Kommunikation mit großem Vertrauen zwischen den handelnden Personen auf Augenhöhe. Wer nicht direkt vor Ost ist, schätzt eine Situation vielleicht anders ein. Die anleitende Person muss sich gleichzeitig darauf verlassen, dass die handelnde Person die Anweisungen korrekt ausführt. Und beide Seiten müssen sicher sein können, dass die technischen Hilfsmittel auch über große Distanzen ohne Qualitätsverlust reibungslos funktionieren.

Derzeit ist in vielen Teilen des Gesundheitswesens noch eine große Skepsis beim Einsatz der neusten technologischen Möglichkeiten zu erkennen. Viele Organisationsstrukturen in Gesundheitseinrichtungen haben klare und eher tradierte Hierarchien. Und auch viele Patientinnen und Patienten können sich die obenstehenden Ideen und Konzepte im Praxisalltag sicherlich nur schwer vorstellen. Darüber hinaus wird es immer Bereitschaftsdienste, Notfallstrukturen und Überwachungsmöglichkeiten brauchen.

Natürlich ist und bleibt die Gesundheitsversorgung unmittelbar mit der persönlichen Interaktion vor Ort zwischen Behandelndem und Patientin oder Patient verbunden. All die Beispiele zeigen eben auch, dass immer noch Menschen vor Ort agieren müssen und nur einzelne Kompetenzen zeit- bzw. ortsunabhängig hinzugezogen werden können. Bisher handelt es sich bei diesen Ideen eher um eine Neuordnung von Aufgaben als um echte neue Arbeitsorganisationen.

Wie auch im übrigen Teil der arbeitenden Bevölkerung wird all diese Flexibilität nicht für jeden Menschen gleichermaßen geeignet sein. Und genauso wie die modernen Führungskräfte in ihren Seminaren und Konferenzen über Konzepte für die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts und der gemeinsamen Identifikation ihrer Teams diskutieren sind auch wir davon überzeugt, dass die menschliche Nähe und eine gesunde Lebenswelt besonders gut in der Gemeinschaft vor Ort funktioniert. Deshalb versucht das Team der MACH160 moderne Arbeitsformen mit einer verbindlichen Begegnungsstätte für alle Lebenslagen zu verbinden. Wir freuen uns auf die persönlichen Begegnungen mit allen Patientinnen und Patienten oder Gästen - ganz besonders in der anstehenden Vorweihnachtszeit.

Zu den Überlegungen und Ideen für neue Arbeitsweisen im Gesundheitswesen empfehlen wir sehr gerne folgende Veröffentlichungen: