Die Konkurrenz ist unsichtbar!

Ein Appell für analoge Zusammenarbeit mit digitaler Unterstützung
Erstellt von:Dehne, Nils
Erstellt am:20.11.2022
Aktualisiert am:20.11.2022, 14:26

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist den meisten Menschen bewusst, dass eine gute Gesundheitsversorgung nicht allein an der Anzahl von Krankenhäusern oder Krankenhausbetten bzw. an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu bemessen ist. Eine gute Gesundheitsversorgung ist eine Frage von Abstimmung und Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren, die alle eine spezifische Expertise einbringen. Dazu zählen Ärztinnen und Ärzte genauso wie Apothekerinnen und Apotheker oder Therapeutinnen und Therapeuten sowie Pflegende aller Art und natürlich auch zahlreiche praktische und nützliche Beratungs- oder Informationsangebote unabhängig von ihrer Träger- oder Angebotsstruktur. Bei unserem ersten Gesundheitspolitischen Dialog in der MACH160 haben wir mit verschiedenen Akteuren aus dem Bezirk genau über diesen Aspekt ausführlich diskutiert. Alle beteiligten versuchen in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich neue Angebote und Lösungen für eine vernetze Versorgung im Sinne der Patientinnen und Patienten zu schaffen. Immer wieder stehen wir alle dabei vor der Herausforderung starrer gesetzlicher Regularien und festgefahrener Arbeitsweisen oder Prozesse.

Das deutsche Gesundheitswesen stellt traditionell die ärztliche Behandlung in den Mittelpunkt unserer Versorgung. Allerdings wird der demografische Wandel dazu führen, dass wir bereits mittelfristig nicht mehr ausreichend ärztliche Ressourcen haben werden, um die Versorgung nach dem heutigen Modell fortzuführen. Viele Patientinnen und Patienten werden dann nur noch eine Wahl zwischen einem digitalen oder einem nicht-ärztlichen Erstkontakt im Falle einer Krankheit oder Verletzung haben. Genau an dieser Stelle müssen wir uns auch auf neue Formen der Zusammenarbeit vorbereiten. Die großen Technologieanbieter haben dieses Betätigungsfeld längst für sich entdeckt.

Verbunden mit den neuen digitalen Möglichkeiten können wir Informationen und Erfahrungen sehr einfach über große Distanzen überall verfügbar machen. Gleichzeitig reduziert sich dadurch die Abhängigkeit von einzelnen Personen vor Ort. Eine gut angeleitete Pflegekraft oder ein erfahrener Rettungsassistent werden für eine passende Versorgung in abgelegenen Orten in Alltags- oder Notfallsituationen sorgen. Viele administrative Aufgaben werden durch digitale Lösungen und künstliche Intelligenz erleichtert oder ganz übernommen. Zentrale Leitstellen helfen bei der Überwachung von Intensivstationen und bei der Priorisierung ärztlicher Tätigkeiten. Terminvereinbarungen und Abrechnungen in der Arztpraxis können durch einen zentralen Dienstleister rund um die Uhr von überall auf der Welt realisiert werden. Der IT-Infrastruktur reduziert sich auf mobile Endgeräte und flächendeckende Netzwerke.

Wir alle kennen diese Geräte und Anwendungen. Wir nutzen Sie im Alltag wie selbstverständlich zur Optimierung unserer eigenen Abläufe. Und dennoch tun wir uns schwer dabei, diese Hilfe im Versorgungsalltag anzuerkennen. Die politischen Diskussionen über Datensicherheit und Konnektorenaustausch stehen sinnbildlich für unseren Entwicklungsstand. Anstatt uns die neuen Technologien und Möglichkeiten konsequent zu Nutze zu machen, erschweren wir uns mit Skepsis und Zurückhaltung den Arbeitsalltag. Gleichzeitig leiden wir an vielen Stellen unter Bürokratie und Regulierung. Natürlich kann die Digitalisierung nicht ohne klare Regelungen und einheitliche Standards funktionieren. Natürlich ist die Digitalisierung zunächst mit zusätzlichen Anstrengungen und Aufwendungen verbunden. Aber natürlich wird sie uns in Zukunft zusätzliche Ressourcen für die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten freigeben.

Während wir also immer wieder unsere Energie in festgefahrene Abläufe oder liebgewonnene Gewohnheiten stecken, könnten wir alternativ die Angebote für unseren Patientinnen und Patienten erweitern oder die Abstimmung mit anderen Expertinnen und Experten suchen. In diesem Umfeld ist es für neue Akteure im Gesundheitswesen eine Leichtigkeit, die Nähe und Aufmerksamkeit unserer Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Diese Akteure sind durch ihre Apps jederzeit griffbereit und in jeder Lebenslage verfügbar. Auch wenn Sie einen Besuch beim Arzt oder die Einnahme von Medikamenten nicht gänzlich kompensieren können, übernehmen sie mehr und mehr eine zentrale Rolle in der Versorgung. Immer mehr Menschen wachsen wie selbstverständlich mit Apps zum Check von Symptomen, zum Tracking gesundheitsrelevanter Daten oder mit Angeboten für psychische oder physische Selbsttherapien heran.

Unsere Konkurrenten für eine umfassende Betreuung und Begleitung unserer Patientinnen und Patienten sind für uns nicht direkt am Türschild oder der Hausnummer zu erkennen. Sie sind irgendwo auf der Welt zu Hause und entwickeln Algorithmen und Standards, um überall in gleicher Weise eingesetzt werden zu können. Unsere Antwort kann also nur eine enge Zusammenarbeit vor Ort sein. Eine Zusammenarbeit im Dialog und im gegenseitigen Respekt. Dafür müssen wir uns von unnötiger Bürokratie und zeitraubenden Abläufen befreien. Hierfür können wir die neuen Technologien zielgerichtet und kontrolliert im Sinne einer optimalen Versorgung nutzen.

Das Team der MACH160 wird auch in Zukunft regelmäßig zum Dialog mit allen Partnerinnen und Partnern der Versorgung vor Ort einladen. Wir freuen uns auf den Austausch der Perspektiven, auf das Feedback zu unseren Aktivitäten und auf die Inspiration durch kreative und mutige Ideen.