Gesundheitskioske

Eine gute Idee, die auch ohne Gesetzte funktionieren sollte
Quelle: gesundheitskioske.de
Erstellt von:Dehne, Nils
Erstellt am:25.09.2022
Aktualisiert am:25.09.2022, 10:13

Während derzeit die niedergelassene Ärzteschaft zum Streik aufruft, die Krankenkassen alle Lobbyregister ziehen, Krankenhäuser vor der eigenen Insolvenz warnen und auch die Apotheken schwere Zeiten voraussagen hat der Bundesgesundheitsminister ein neues Lieblingsprojekt für sich entdeckt. Die Gesundheitskioske nach dem Vorbild eines Pilotprojektes in Hamburg, haben sich zu einem Vorzeigeprojekt für eine enge Verzahnung verschiedener Akteure in der Gesundheitsversorgung zur gemeinsamen Versorgung in einem sozialen Brennpunkt entwickelt. Ganz konkret geht es um eine zentrale Anlaufstelle, bei der im Wesentlichen Community Health Nurses (zum Artikel) als erste Anlaufstelle für die Bevölkerung dienen und auf diese Weise die Versorgung und Betreuung der Menschen koordinieren und steuern. Dadurch erhalten Menschen zu Versorgungsangeboten und Beratungsmöglichkeiten einen Zugang, der ihnen andernfalls mit großer Wahrscheinlichkeit verschlossen geblieben wäre. Vielfach betrifft das vor allem Menschen, mit sprachlichen oder kognitiven Einschränkungen. Aber auch vielen anderen Betroffenen fällt es inzwischen oft schwer, zwischen den vielfältigen Angeboten mit unterschiedlichen Voraussetzungen und vielen bürokratischen Hürden einen Überblick zu behalten. Auf diese Weise entstehen Versorgungsbrüche, die einer schnellen Genesung oder einer Gesunderhaltung entgegenstehen. Das Konzept und die Notwendigkeit einer solchen koordinierenden und informierenden Anlaufstelle stehen außer Frage.

Während jedoch den etablierten Gesundheitsanbietern umfassende Einsparungen verordnet werden sollen bis zu 1 Mrd. Euro für rund 1.000 Gesundheitskioske in ganz Deutschland aufgebracht werden. Finanziert werden sollen diese Anlaufstellen im Wesentlichen durch die Kommunen und die gesetzlichen Krankenkassen. Der Widerstand gegen diese Idee ließ dementsprechend nicht lange auf sich warten. Einerseits sehen sich die Krankenkassen nicht in der Lage, die Finanzierung zu übernehmen, andererseits sorgt sich die Ärzteschaft um die Qualität der Versorgung, wenn als erste Anlaufstelle „nur“ studierte Pflegekräfte zur Verfügung stehen.

Diese Reaktionen können keinen überraschen. Eine gut koordinierte Versorgung scheitert derzeit an vielen Stellen in unserem Gesundheitssystem daran, dass

  1. Zusammenarbeit und Koordination im Sinne einer optimalen PatientInnenversorgung nicht honoriert werden und
  2. die Interessenvertretungen der Gesundheitsberufe ihren eigenen Berufsstand als einzig maßgeblichen Kompetenzträger für eine gute Versorgung vermarkten.

Natürlich hängen beide Aspekte unmittelbar miteinander zusammen. Anstatt aber neue Institutionen und Anlaufstellen zu schaffen und für die Finanzierung dieser Aufgaben an anderer Stelle Gelder abzuschöpfen muss es doch unser gemeinsames Ziel sein, die bestehenden Akteure besser zu vernetzen und so unnötige Versorgungsbrüche zu vermeiden. In einer Zeit, in der alle Gesundheitsanbieter über steigende Kosten, fehlende Mitarbeitende und Versorgungsengpässe klagen, liegt es auf der Hand, durch eine bessere Zusammenarbeit die verfügbaren Kräfte zu bündeln. Dafür braucht es weder ein neues Gesetz noch eine neue Finanzierung. Es braucht die Bereitschaft neue Wege zu gehen und die eigene Rolle zu hinterfragen. Digitale Kommunikationswege können heute viele wichtige Informationen überall zugänglich machen und gleichzeitig Kosten einsparen. Die dafür notwendigen Strukturen und Kompetenzen kann natürlich nicht mehr jeder in seiner eigenen Praxis bereithalten. Deshalb brauchen wir neue Formen der Zusammenarbeit und zentrale Anlaufpunkte für eine gesellschaftliche Verankerung der Angebote.

Das MACH160-Konzept versucht beide Aspekte miteinander zu vereinbaren. Neue Formen der Zusammenarbeit und eine gemeinsame Heimat weit über die Rolle des Gesundheitsanbieters hinaus. Auch wir können Ihnen noch nicht versprechen, Sie in jeder Lebenslage ohne Umwege durch den Dschungel des Gesundheitswesens zu navigieren. Wir sind aber mit dem Anspruch zusammengekommen, unsere verschiedenen Kompetenzen zum Nutzen unserer gemeinsamen Patientinnen und Patienten einzubringen. Das versprechen wir Ihnen für jede unserer Begegnungen.

Einige der zahlreichen gesetzlich verankerten Beratungs- und Hilfsangebote, die schon heute durch die Krankenkassen und die Gemeinschaft der Leistungserbringer bereitgestellt werden, haben wir Ihnen an dieser Stelle zusammengefasst. Für die Übersicht bedanken wir uns bei Anke Schlieker vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) und Ihrer Zusammenstellung für deinen Kommentar im Tagesspiegel Backround Gesundheit & E-Health vom 20.09.22 unter Das Ziel ist richtig, der Weg ist es nicht - Tagesspiegel Background)

  • Die Unabhängige Patientenberatung bietet telefonisch und bundesweit in dreißig regionalen Beratungsstellen unabhängige und kostenfreie Beratung rund um das Thema Gesundheit und Patientenrechte – auch in den Sprachen Russisch, Türkisch und Arabisch. (UPD-Beratungsstelle Berlin (patientenberatung.de))
  • Die Hotline 116117 hilft bei der Vermittlung eines Arzttermins, etwa beim Kardiologen oder Psychotherapeuten. Außerdem kann sie bei leichten Notfällen den Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst vorbeischicken, falls ein Arzt gebraucht wird, aber kein Krankenhaus. (116117.de - Der Patientenservice (ärztlicher Notdienst) | 116117.de)
  • Psychologische Unterstützung bei einer Krebsdiagnose ist Mangelware, ambulante Therapieplätze rar. Und dennoch weiß kaum einer von den rund 160 ambulanten psychosozialen Beratungsstellen, die bundesweit betroffenen Patientinnen und Patienten bei psychologischen und sozialen Problemen weiterhelfen. (Psychosoziale Beratungen – BerlinFinder – Berlin.de)
  • Sie wollen mit dem Rauchen aufhören? Da gibt es eine kostenlose Hotline der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (BZgA: Rauchentwöhnung)
  • Sie möchten abnehmen oder sich zum Thema Ernährung beraten lassen? Fragen Sie Ihre Krankenkasse. Die hat häufig eigene, kostenfreie Kurse oder Einzelberatungen für Sie oder vermittelt entsprechend weiter. (z.B. Ernährungsberatung | AOK)
  • Sie wollen sich unkompliziert impfen lassen gegen Grippe, Masern, Mumps, Röteln, Kinderlähmung oder Tetanus? Fragen Sie Ihr Gesundheitsamt! Und lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Sie dort zum Schulärztlichen Dienst geschickt werden. Die impfen auch Erwachsene gern. (Impfungen und Infektionskrankheiten - Beratung - Dienstleistungen - Service Berlin - Berlin.de)
  • Unterstützung für junge Mütter, bei Überforderung oder bei familienspezifischen Problemen: Fragen Sie bei den Sozialen Diensten Ihres Bezirksamtes. Häufig gibt es kostenfreie Mütter- und Familienberatungsstellen und Frühe Hilfen. (Frühe Hilfen - Berlin.de)

Für die Übersicht haben wir uns bei Anke Schlieker vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) und Ihrer Zusammenstellung für einen Kommentar im Tagesspiegel Backround Gesundheit & E-Health vom 20.09.22 unter Das Ziel ist richtig, der Weg ist es nicht - Tagesspiegel Background bedient.