Gute Versorgung bedeutet gute Führung

Über die Rolle der Medizinischen Fachangestellten
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe stellt die Bedeutung der Medizinischen Fachangestellten in den Arztpraxen vorbildlich heraus.
Erstellt von:Nils Dehne
Erstellt am:12.06.2022
Aktualisiert am:12.06.2022, 17:57

Das Personal im Gesundheitswesen steht seit Beginn der Corona-Pandemie im besonderen Fokus der Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt der Debatte stehen zumeist die Pflegekräfte in den Krankenhäusern. Dabei sorgen die Veränderungen unserer ambulanten Versorgungslandschaft, einerseits durch den Vormarsch kooperativer Praxisformen, andererseits durch die Anforderungen der Digitalisierung, für einen wachsenden Bedarf qualifizierter und motivierter Praxismitarbeitenden, der schon heute nur noch schwer zu decken ist. Es ist daher äußerst bedauerlich, dass die Medizinischen Fachangestellten bei dem jüngsten Gesetz zum Pflegebonus, trotz großer Unterstützung aus den Verbänden der niedergelassenen Ärzteschaft, nicht berücksichtigt wurden.

Viele Beschäftigte im Gesundheitswesen nehmen ihre Arbeit als besonders belastend war. Die besondere Herausforderung ergibt sich dabei aus der eng getakteten Interaktion mit anderen Menschen. Natürlich gibt es auch andere Berufe mit einer unmittelbaren Verbindung zu anderen Menschen in vergleichbarer Taktung. Dennoch befinden sich Patientinnen und Patienten regelmäßig in einer besonderen emotionalen Ausgangssituation beim Betreten einer Praxis oder eines Krankenhauses. Diese Besonderheit hat unmittelbare Auswirkungen auf den Umgang mit dem Praxispersonal.

Wo sich andere hinter Warteschleifen oder Aufrufsystemen verstecken können, stehen MFAs oder Pflegekräfte zumeist direkt den PatientInnen gegenüber. Während an vielen Stellen digitale Lösungen unmittelbar das Servicelevel verbessern helfen, wird die Digitalisierung in den Arztpraxen als zusätzliche Belastung wahrgenommen, weil der direkte Nutzen bei der Versorgung der PatientInnen nicht ersichtlich wird. Wo manchen Patientinnen und Patienten schon ein Gespräch oder die Verlängerung einer Verordnung helfen können, wird Dokumentation zum Zwecke der Qualitätssicherung als unnötige Bürokratie missverstanden. Auch wenn der Veränderungsdruck viele Branchen gleichermaßen trifft, sind die besonderen emotionalen Beziehungen im Gesundheitswesen immer im Blick zu behalten.

Eine nachhaltige und zukunftsfähige Versorgung braucht Menschen, die zwischen den technischen und organisatorischen Möglichkeiten und den tief verankerten, emotionalen Bedürfnissen unserer PatientInnen ausgleichen, vermitteln und erklären können. Hierfür können drei Tugenden eine große Hilfe sein:

  1. Resilienz: Die Unzulänglichkeiten der menschlichen Emotionen, die Probleme einer technologischen Umstellung oder die Herausforderungen komplexer Organisationsstrukturen führen im Alltag zu unzähligen Reibungsverlusten und Zumutungen. Diese Situationen Tag für Tag zu ertragen und zu kompensieren, verlangt eine außerordentliche Stabilität der eigenen Persönlichkeit.
  2. Kreativität: Für viele unserer alltäglichen Probleme gibt es keine vorgefertigte Lösung. Wahrscheinlich steht auch die nächste Herausforderung schon bereit, bevor das aktuelle Problem abschließend analysiert oder recherchiert werden könnte. Ein großer Werkzeugkasten für die eigene Problemlösungskompetenz in Verbindung mit der notwendigen Kreativität, seine Werkzeuge flexibel einzusetzen, erfordert eine kontinuierliche Übung.
  3. Mut: Nahezu alle Entscheidungen, die wir heute im Alltag treffen müssen, werden wir mit dem Gefühl der Ungewissheit abschließen. Die Vielzahl von Themen, die wachsenden Informationsquellen und die vielfältigen Zusammenhänge oder Auswirkungen unserer Entscheidungen erfüllen uns vielfach mit Ehrfurcht. Entscheidungsbedarfe nicht als Belastung, sondern als Gestaltungsmöglichkeit wahrzunehmen, ist eine spannende Perspektive in nahezu jeder Lebenslage.

Früher hätte man diese Anforderungen wahrscheinlich eher Führungskräften großer Unternehmungen zugeschrieben. Im täglichen Zusammenwirken mit anderen Menschen, anderen Rollen und anderen Lebenssituationen werden unsere Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zwingend zu Führungskräften. Sie leiten die Patientinnen und Patienten durch die komplexen Strukturen unseres Gesundheitswesens. Sie geben den PatientInnen halt, in schwierigen Lebenslagen. Und sie werden den Wandel unserer Versorgungslandschaft maßgeblich vorleben müssen. Dies anzuerkennen, wäre ein wichtiger Schritt diese Berufe für die nachfolgenden Generationen wieder attraktiver zu machen. Sicherlich sind wir sowohl personell als auch finanziell noch ein großes Stück davon entfernt unsere Mitarbeitenden im Gesundheitswesen wie Führungskräfte zu begleiten.

In der MACH160 sorgt das innovative Praxismanagementkonzept für einen herausragenden Gestaltungsfreiraum, spannende Entwicklungsmöglichkeiten und eine eigenverantwortliche Teamorganisation bei den Medizinischen Fachangestellten. Es ist eine besondere Herausforderung für uns, unseren Mitwirkenden den notwendigen Rückhalt, die persönliche Sicherheit und die körperliche Energie dafür zu geben. Auch daran arbeiten wir noch Tag für Tag. Denn was für unsere Mitarbeitenden gut ist, kann für unsere PatientInnen und Patienten nicht nachteilig sein.